„Nach zwanzig, dreißig Jahren hängt das immer noch im einzelnen Menschen“ – Der Radikalenbeschluss von 1972 in der Erinnerung betroffener Lehrer*innen. Eine Oral-History-Untersuchung

Von Helen Gärtner
H. Gärtner: „Nach zwanzig, dreißig Jahren hängt das immer noch im einzelnen Menschen“ – Der Radikalenbeschluss von 1972 in der Erinnerung betroffener Lehrer*innen. Eine Oral-History-Untersuchung (PDF-Datei)

Zusammenfassung

Zu den unbekannteren Kapiteln der westdeutschen Nachkriegsgeschichte zählt der Radikalenbeschluss, 1972 gefasst unter Bundeskanzler Willy Brandt. Sein Ziel war der Ausschluss mutmaßlich verfassungsfeindlicher Personen aus dem öffentlichen Dienst. Mehr als drei Millionen vornehmlich politisch links orientierte Personen wurden in den 1970er und -80er Jahren durch den Verfassungsschutz überprüft, es kam zur Anwendung von Disziplinarmaßnahmen und Entlassungen. Das große mediale und politische Echo verhallte, nachdem die Beschlusspraxis im Laufe der 1980er Jahre nach und nach zum Erliegen kam – heute steht die Wissenschaft einer Forschungslücke gegenüber, die erst seit wenigen Jahren sukzessive gefüllt wird. Der Artikel rückt erstmals die Perspektive der Betroffenen in den Vordergrund und untersucht anhand teilbiographischer Interviews mit Lehrer*innen aus dem Land Bremen, wie diese die Praxis des Radikalenbeschlusses heute erinnern und erzählen. Im Fokus der Oral History-Untersuchung stehen insbesondere Kollektividentifikationen, wiederkehrende inhaltliche Schwerpunktsetzungen sowie narrative, kommunikative und sprachliche Phänomene.