Von Klaas Anders

Aus einem Projekt von Studierenden der Universität Bremen unter der Anleitung von Magdalena Waligorska (Universität Bremen) und Etta Grotrian (Jüdisches Museum Berlin) entstand eine Online-Ausstellung zu der Rolle von Frauen im Realsozialismus. Das Projekt entstand im Kontext des Moduls „Digital History“ der Universität Bremen. Die Ausstellung fokussiert zwei grundlegende Aspekte: Die Rolle von Frauen im alltäglichen Leben und die doppelte Minderheit der Frauen im Dissens.

In der Selbstbeschreibung des Projektes heißt es hierzu:

„Die Geschichten auf dieser Homepage erzählen von beidem: der Objektivierung des weiblichen Körpers in der visuellen Kultur und dem alltäglichen Leben von Frauen, die von ihrer Zukunft träumten, gegen die Bedingungen des Staatssozialismus protestierten oder versuchten in diesen zurechtzukommen.“¹

Das Projekt setzt dabei auf eine breite Palette von historischen Quellen, die anschaulich aufgearbeitet und zugänglich gemacht wurden. Diese Bandbreite umfasst dabei persönliche Briefe, verschiedenste Dokumente und Zeitzeug*innengespräche Nutzer*innen der Website können im Menü unter verschiedenen Kategorien Einblicke in die Rolle von Frauen im Staatssozialismus bekommen: Sowjetischer Dissens und Gender; Offizielle Frauenbilder in der Sowjetunion; Die „Frau“ als politisches Symbol; Eine Frau der Solidarność: Ewa Maria Slaska; Mangelwirtschaft und Heldinnen des Alltags.

Diese Kategorien sind teils mit Unterkategorien versehen und umfangreich gestaltet. Neben Material für Lehreinheiten zum Sowjetischen Dissens finden sich aufgezeichnete Videointerviews mit Ewa Maria Slaska zu verschiedenen Aspekten rund um die Solidarność. Die Ausstellung zeigt sich hier besonders vielseitig und multimedial gestützt. Auffallend ist auch die Breite an Quellen, die zur Konzeption der Ausstellung genutzt wurden. Teilweise wurde Material aus dem umfangreichen Bestand der Forschungsstelle Osteuropa akquiriert, teils aus privaten Beständen der Gestalter*innen, wie Magdalena Waligorska bei der Eröffnung der Ausstellung am 20.04.2017 betonte. Zur Eröffnung hatte die Abteilung für Kulturgeschichte Ostmitteleuropas mit Schwerpunkt auf die Geschichte Polens (in Vertretung durch Magdalena Waligorska und Jakob Nuhn) sowie die Deutsch-Polnische Gesellschaft Bremen (DPG) in die Räumlichkeiten der DPG geladen. Zu Gast war auch Ewa Maria Slaska, die zur Rolle von Frauen im polnischen Dissens in der Vergangenheit und Gegenwart befragt wurde. In der Diskussion mit der ehemaligen Solidarność-Aktivistin wurde die Bedeutung von feministischen Positionen innerhalb des Dissens deutlich, auch in Verknüpfung mit der Frage nach reproduktiven Rechten, allen voran dem Recht auf Abtreibung. Letzteres war auch in jüngster Vergangenheit im Zentrum politischer Auseinandersetzung in Polen. Dabei stellte besonders Slaska (die auch Organisatorin des sog. „Czarny Protest“ ist) eine fast schon zyklische Kontinuität des polnischen, feministischen Dissens heraus.² In der Diskussion wurde somit deutlich, dass die Ausstellung auch eine tagespolitische Brisanz aufweist.

Allgemein lässt sich feststellen, dass die Ausstellung „Women under Communism“ durch ihre enorme Vielfältigkeit sowohl für akademische Forschung und Lehre als auch für Besucher*innen politischer und aktivistischer Spektren enorme Relevanz besitzt und sehr zu empfehlen ist.

Die Ausstellung ist einsehbar unter der Adresse:
http://www.digitalhistory.uni-bremen.de/women-under-communism/


1 Über das Projekt „Women under Communism“, online unter: http://www.digitalhistory.uni-bremen.de/women-under-communism/, (Stand.23.05.2017)
2 Zum „Schwarzen Protest“ vgl. Achtelik, Kirsten: Schlimmer geht immer, online unter http://www.taz.de/!5340681/, (Stand 20.04.2017).

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