Rezension zur polnischen Länderausstellung „Kampf und Märtyrertum der polnischen Nation 1939-1945“ in der Gedenkstätte Auschwitz-I-Stammlager.

Von Philipp Mangels
Bildquelle: Bonjour Geschichte Redaktion

14 Studierende der Studiengänge Geschichte und Integrierte Europastudien sind Ende Januar in Kraków und Oświęcim gewesen. Die Studierenden der Universität Bremen besuchten unter anderem die Länderausstellungen in der Gedenkstätte Auschwitz. Diese Ausstellungen wurden ab den 1960er Jahren von verschiedenen Staaten und Völkern auf dem Gebiet der Gedenkstätte des Stammlagers Auschwitz errichtet.

Die Länderausstellungen bieten Besuchern die Möglichkeit, die Erinnerungskulturen verschiedener Nationen und Völker in der Gedenkstätte zu sehen. Den einzelnen Staaten werden dabei ehemalige Blöcke zur Verfügung gestellt, in denen sie an die Opfer des Nationalsozialismus und des Zweiten Weltkriegs erinnern können. Neben einer vielfältigen Erinnerungslandschaft offenbaren die Länderausstellungen durch den Fokus auf ihre Nationalität aber auch Opferkonkurrenzen. Polen hat seine Ausstellung erst 1985 errichtet, also 40 Jahre nach Ende des Krieges und nach der Tschechoslowakei, Ungarn, der Sowjetunion, Ostdeutschland, Jugoslawien, Belgien, Dänemark, Bulgarien, Österreich, Frankreich, Italien und der Niederlande. Dies ist insofern erstaunlich, als dass sich die Gedenkstätte auf heutigem und vor dem Zweiten Weltkrieg auch damaligem Gebiet Polens befindet und die polnische Bevölkerung demnach viele Lagerinsassen im Konzentrations- und Vernichtungslager hatte. Da allgemeine Führungen durchs Lager als transnationales Erinnern gelten, ist das Staatliche Museum Auschwitz erst seit 1985 durch eine explizit polnische Perspektive reicher.

Wie der Titel der Ausstellung schon vermuten lässt, konzentriert sie sich besonders auf das Opferdasein und den Widerstand gegen die Okkupanten. Dabei setzt die gesamte Ausstellung auf die Kombination insbesondere schriftlicher und bildlicher Quellen mit einer Kontextualisierung in Form von Text auf polnisch und auf englisch. Multimediale Vermittlung der Ereignisse findet kaum statt. Im ersten Raum wird das Leid beschrieben, das die polnische Bevölkerung durch den Blitzkrieg der Deutschen und der erneuten Teilung Polens im Zuge des Rippentrop-Molotow-Pakts erfuhr. Dabei wird die Aggression der Deutschen und der Russen räumlich getrennt. Im nächsten Raum wird die Besatzung der Deutschen in den vom Dritten Reich annektierten Gebieten und im neu erschaffenen Generalgouvernement thematisiert. Eine Litfaßsäule mit Ankündigungen und Verordnungen der Besatzungsmacht sowie ein Straßenschild mit einem deutschen Namen sind dabei einige wenige Darstellungen, die vom klassischen Text- und Bildschema abweichen und der Ausstellung somit eine plastische und emotionale Annäherung geben.

Die Germanisierung, die Liquidierung bestimmter Statusgruppen wie der Intelligenz und die Repressionen werden in einem Raum ebenso dargestellt wie die Deportationen von Polen in Konzentrationslager. Die Opferrolle der polnischen Bevölkerung wird hier stark hervorgehoben und durch Zahlen und Vergleiche mit anderen Ländern verstärkt. Folgend und in einem sehr großen Umfang dargestellt befindet sich ein Raum zum Widerstand der polnischen Bevölkerung, des polnischen Untergrundstaates und der paramilitärischen Organisationen der Polen. Neben sehr bekannten Widerstandsaktionen wie der des Warschauer Aufstands 1944 wurde besonders das alltägliche, vom Untergrund organisierte Aufbegehren wie auch die Teilnahme polnischer Bürger an alliierten Aktionen gezeigt. Der Pathos der nie kapitulierenden polnischen Regierung ist in diesem Raum sehr spürbar. Erwähnenswert ist dennoch, dass auch der Warschauer Gettoaufstand von 1943 thematisiert wird, wohlgemerkt ohne die Hilfe der Polnischen Heimatarmee ins Zentrum zu stellen. Auf Opferkonkurrenzen wird in diesem Fall nicht eingegangen. Die Ausstellung schließt mit der Erinnerung an Polen im Konzentrationslager Auschwitz. Dieser letzte Abschnitt ähnelt sehr der allgemeinen Führung durch die Gedenkstätte und bietet demnach kaum neue Erkenntnisse.

Thematisch und inhaltlich zeigt sich die Ausstellung wie erwartet. Der starke Fokus auf das Opferdasein und den heldenhaften Widerstand gegen das Besatzungsregime verwundert ebenso wenig wie die Fülle an Quellen, die zur Verfügung stehen. Die polnische Verbindung zu diesem Ort ist nach wie vor groß, Besucher der Gedenkstätte kommen mit großem Abstand überwiegend aus Polen. Die Länderausstellung wird für viele von ihnen eine Anlaufstelle sein und gleichzeitig vor allem für Jugendliche eine bildende Wirkung haben. Gerade da die Länderausstellung kaum geschichtspolitisch genutzt wird – im Gegensatz zu einigen anderen polnischen Museen wie das Museum des Warschauer Aufstands in Warschau oder das Museum des Zweiten Weltkriegs in Danzig – ist dieser Bildungsauftrag wichtig.

Als nicht polnischsprachige Person muss man sich mit den schlechten Übersetzungen ins Englische arrangieren. Sowohl Rechtschreibfehler wie auch inhaltliche Vereinfachung des Textes stören bei den englischen Texten. Außerdem war der gesamte Block nicht beheizt. Ob das ein generelles Problem im Winter oder nur an diesem Tag gewesen ist, lässt sich nicht überprüfen. An kalten Wintertagen im Januar wäre eine Beheizung wie beispielsweise bei der israelischen Länderausstellung wünschenswert.

Wegen seines großen Umfangs und der Vielzahl an Quellen ist die polnische Länderausstellung zu empfehlen. Da die Länderausstellungen in der Regel ohne Führung besucht werden, kann man sich für die einzelnen Quellen sehr viel Zeit lassen. Gerade auch im Vergleich mit modernen multimedialen Ausstellungen bekommt man einen emotional distanzierten Eindruck der polnischen Geschichte während des Zweiten Weltkriegs.

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