Eine Rezension der Sonderausstellung Palmyra. Was bleibt? im Museum August Kestner, Hannover

Von Torben Fedderwitz

Als im August 2015 die Bilder des gesprengten Tempel des Bēl, Sinnbild der ideologisch motivierten Zerstörung Palmyras, um die Welt gingen, tat sich vielfach die Frage danach auf, was bleibe vom Weltkulturerbe in der syrischen Wüste. Genau dieser Frage widmet sich die momentan im Museum August Kestner gezeigte Sonderausstellung Palmyra. Was bleibt? Syriens zerstörtes Erbe.

Die Ausstellung erstreckt sich über zwei Räume, ersterer widmet sich Palmyra als antiker Oasenstadt, Handelszentrum und als Schmelztiegel griechischer, römischer und persischer Kultur- und Architektureinflüsse. Die Ausstellungsstücke in diesem ersten Teil sind sorgfältig gewählt und in ihrer Anzahl überschaubar. Ausgesuchte Relieffragmente und Büsten aus der Antikensammlung des Kunsthistorischen Museums Wien vermitteln ein plastisches Bild der kunstfertigen Dekorationen, die palmyrenische Bauwerke zierten. Ein Paar filigrane Ohrringe, Trinkgefäße und verzierte Bodenkacheln runden den Eindruck einer wohlhabenden und hochentwickelten Gesellschaft ab. Münzen des palmyrenischen Reiches, das Mitte des dritten Jahrhunderts nach Christus als römisches Klientelkönigreich zu einer unvergleichlichen Blüte gelangte, zeugen von dessen Ausdehnung und Bedeutung als Handelspunkt.

Zwei großformatige Fotografien an einer Wand dominieren dabei den hellen Raum, eines zeigt Details einer in eine Transportkiste verpackten Büste, das andere zerstörte Vitrinen. Sie stellen einen Gegenwartsbezug dar, lassen das Spannungsverhältnis zwischen Konservierung und Zerstörung erahnen, für welches das Beispiel Palmyras wie kaum ein zweites steht, galt es doch lange Zeit als außergewöhnlich gut erhalten, heute als weitestgehend zerstört.

Der zweite Teil und zugleich zweite Raum zeigt ungefähr zwanzig vom französischen Künstler, Archäologen und Architekten Louis-François Cassas angefertigte Zeichnungen. Cassas, der zwischen 1784 und 1786 ausgedehnt der Vorderen Orient bereiste und als einer der ersten Bauforscher gilt, fertigte dabei Zeichnungen und Stiche, aber auch rekonstruierende Schnitte von Palmyras Bauwerken an. Diese ästhetisch reizvollen Zeichnungen zeigen die architektonische Prachtentfaltung der palmyrenischen Bauten. Sie bezeugen, wie diese Stadt einst aussah.

Der aus konservatorischen Gründen abgedunkelte Raum besticht weiter durch schwarze Boxen, in denen in intensiven Farben Fotos Palmyras vor den Zerstörungen und heute gezeigt werden. Die beschreibenden Texttafeln sind präzise und vor allem knapp gehalten, zudem in deutsch, englisch und arabisch verfasst. Sie bieten neben der allgemeineren Darstellung der größeren Entwicklungslinien Palmyras speziellere, kontextualisierende Beschreibungen der Exponate.

Insbesondere vor den noch jungen Eindrücken der Zerstörung Palmyras, die Besucherinnen und Besucher durch diese Ausstellung begleiten, muss diese Ausstellung betrachtet werden. Sie leistet dabei zweierlei, bezeugt einerseits einmal mehr die Bedeutung Palmyras als steingewordener Ausdruck verschiedener Kultureinflüsse, ohne dabei in eine mit Exponaten überfrachtete, detailverlorene Erzählung der Geschichte des Vorderen Orients zu verfallen. Sie demonstriert andererseits, dass das Kulturerbe in der syrischen Wüste zweifellos bleibende Spuren hinterlassen hat und hinterlässt – sei es in den Zeichnungen Cassas oder den Büsten und Relieffragmenten der Antikensammlungen.

Am Ende gibt die Ausstellung eine Antwort auf die Frage, was bleibt. Es bleiben „die Zeugnisse palmyrenisch-syrischer Kultur in den Museen der Welt, deren Hauptaufgabe einmal mehr ist: Sammeln und Bewahren“. Eine Aufgabe, die das Museum durchaus wörtlich nimmt – Besucherinnen und Besucher haben die Möglichkeit, eigene Fotos aus Palmyra einzusenden oder auch direkt an vorhandene Schauwände im Eingangsbereich zu pinnen.

Die Möglichkeit, sich auf die Spuren Palmyras zu begeben, besteht noch bis zum 09. Juli 2017 – freitags kostenlos, ansonsten für fünf, ermäßigt vier Euro Eintritt, wobei die übrigen Ausstellungsräume des Museum August Kestner jeweils inkludiert sind.

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