Ausstellung der Bremer Kunsthalle

Von Anne Stammwitz
Bildquelle: Bonjour Geschichte Redaktion

Ein Versuch transparenter Vergangenheitsdarstellung

Hier clashen Welten aufeinander: Die Bremer Kunsthalle ist, nach dem Tate Britain, das zweite Kunstmuseum Europas, was sich mit seiner kolonialen Vergangenheit auseinandersetzt und die Ergebnisse der Öffentlichkeit präsentiert. Mit „Der Blinde Fleck“ gelingt Julia Binter eine Ausstellung voller Kunst, Geschichte, Ambivalenzen und Mehrdeutigkeiten.

Beim Verweis auf Verhältnisse der Vergangenheit in musealen Kontexten ist es stets eine Herausforderung, eine Geschichte zu erzählen und diese zugleich aus einem offensichtlich verändertem und kritischen Blickwinkel darzustellen. Gelingt das der Bremer Kunsthalle? Gezeigt wird etwa eine zum Teil rekonstruierte Version der Ausstellung „Kunst Ostasiens und der Naturvölker“ der Bremer Kunsthalle von 1922. Der kritische Abstand zu ihrer ursprünglichen Version von 1922 geschieht durch die Objektbezeichnungen, in denen auf rassistisch-hierarchische Weltbilder im Umgang mit Kunst während und nach der Kolonialzeit verwiesen wird, als ob gegenwärtig die Bevorzugung weißer Kunst keine Problematik mehr darstelle. An anderer Stelle kreiert die Ausstellung dem Anschein nach eine Diskrepanz zwischen Exponaten und groß an die Wand gedruckten Zitaten. In Vitrinen ausgestellte, angestrahlte, verzierte Elfenbeinhörner stehen vor dem Zitat von Godefroid Bokolombe, vom Afrika-Netzwerk Bremen e.V.: „Wenn die Geschichte des Jägers nur vom Jäger und nicht vom Gejagten erzählt wird, erfährt man nie die ganze Geschichte.“ Das Zitat bringt das Missverhältnis in der Darstellung von Kunst und der Aneignung von Kulturgütern auf den Punkt und reproduziert es leider gleichzeitig, indem hier eine vermeintlich naturverbundene, unkultivierte, auf das Überleben ausgerichtete Metapher herangezogen und dem Afrika-Netzwerk Bremen zugeordnet wird. Letztlich unterstützt diese ungeschickte Inszenierung von Exponat und Zitat ein zugleich romantisierendes und exotisierendes Bild von ‚dem naturverbundenen Fremden‘.

An anderer Stelle wird in einem einzigen Ausstellungsraum auf eine verwirrende Vielzahl von Themen eingegangen. Das Spektrum reicht von Diskussionen zu Straßenumbenennungen in Bremen, über eine tendenziöse Kurzbiographie des afrodeutschen Pianisten Kwassi Bruce, bis hin zu aktuellen Debatten zum kolonialem Erbe Bremens und Deutschlands. In diesem vielseitigem und überladenen Themen-Wirrwarr befinden sich zudem auch aktuelle Schwarze Stimmen, wie in der audiovisuellen Auseinandersetzung „Macht_Erinnerungen“ von Maciré Bakayoko oder die Interviews mit Schwarzen Wissenschaftler*innen und zivilgesellschaftlichen Aktivist*innen of Colour im Video zum Projekt „Just Listen. Globalgeschichte(n) von unten und zivilgesellschaftlicher Dialog“. Im selben Raum wird der/die Besucher*in über Verbindungen Bremer Kolonial-Kaufleute zur Bremer Kunsthalle informiert. Dick hervorgehobene Stichworte helfen dabei, die wichtigen Informationen zu erkennen. Beginnend mit der Geschichte von Friedrich Leo Quentell oder Ludwig Gerhard Wilhelm Roselius‘ bemerkenswert unkritisch kommentierten Portraits werden die großen weißen Männer wie selbstverständlich dargestellt, ohne etwa Roselius‘ nordisch-germanische, kolonialrevisionistische und auch antisemitische Einstellungen eindeutig zu benennen. Das ist insofern ein Manko, als sich die Ausstellung selbst den Anspruch setzt, als Plattform für die kritische Auseinandersetzung mit dem kolonialem Erbe Bremens zu fungieren. Solch unausgesprochene Tatsachen und Zusammenhänge führen in der gesamten Ausstellung zu bedrückender Unklarheit über ihren selbstkritischen Gehalt. In den Objektbeschreibungen verwendete Formulierungen wie „Der große Bremer Mäzen Franz Ernst Schütte“ schlagen dann in genau dieses Kerbholz des Unwohlseins.

In „Der Blinde Fleck“ wird keine Hypothese aufgestellt, sondern die Ausstellung will Raum für eine kritische, zukunftsgerichtete Diskussion zum kolonialen Erbe Bremens schaffen. Es ist couragiert und wichtig, dass sich Bremen und ihre Kunsthalle dieses Themas annimmt, obschon „Der Blinde Fleck“ einen unübersehbaren Hang zu alt bekannter Top-Down-Modell-Manier aufweist.

Die Ausstellung „Der Blinde Fleck. Bremen und die Kunst in der Kolonialzeit“ ist bis zum 19. November 2017 in der Kunsthalle Bremen zu sehen.

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