Max Liebermann
Vom Freizeitvergnügen zum modernen Sport

Von Suzanne Foxley
Bildquelle: „Self-Portrait, Max Liebermann, 1934“ – Tate.org.uk, verfügbar unter CC BY-NC-ND 3.0
http://www.tate.org.uk/art/artworks/liebermann-self-portrait-n04779

Die Ausstellung „Max Liebermann- Vom Freizeitvergnügen zum modernen Sport“ konnte bis zum 26. Februar 2017 in der Kunsthalle Bremen besucht werden.

Nach Darstellung der Ausstellungsmacher*innen war Max Liebermann der erste deutsche Künstler, der sich mit den „englischen Rasensportarten“ Reiten, Tennis und Polo, die im Europa des 19. Jahrhunderts sehr beliebt wurden, künstlerisch auseinandersetze. Unter der Leitung der Kuratorin Dorothee Hansen, einer promovierten Kunsthistorikerin, entstand diese Ausstellung als Kooperationsprojekt zwischen der Kunsthalle Bremen und der Liebermann-Villa am Wannsee, Berlin.

In acht thematisch gegliederten Räumen (u.a. „Badende Knaben“, „Tennis“ und „Boxen“) wird die Entwicklung des berühmten Künstlers geschildert, um die Besucher*innen von dem „Freizeitvergnügen“ des anfänglichen Rasensports bis zur Abbildung professioneller Sportbetreibung in der Kunst zu führen.

Im ersten Raum wird Liebermanns Umschwung vom Realismus zum Impressionismus und seine thematische Umorientierung von Naturmotiven zur bürgerlichen Schicht als Leitmotiv aufgezeigt. Der folgende Raum mit dem Titel „Badende Knaben“ präsentiert anhand von Zeichnungen, Radierungen, Skizzen und Lithografien Liebermanns Hinwendung zu Motiven sportlichen Freizeitvergnügens. Der nächste Raum bietet über die zahlreichen Gemälde von Reitern am Strand hinaus zwei Besonderheiten: Einige Bronzefiguren von Edgar Degas, welcher einen großen Einfluss auf Liebermann hatte, und eine Wand, an der ein Informationstext, eine lange Vitrine und einige Bildschirme angebracht sind. Im Informationstext wird zunächst Liebermanns persönliche Verbindung zu den Reitmotiven hervorgehoben, ehe oberflächlich auf die Bedeutung des Reitsports im bürgerlichen Kontext eingegangen wird. So sei das Reiten eine gesellschaftlich anerkannte Aktivität gewesen und habe besonders für Frauen die Chance geboten, in der Öffentlichkeit Sport zu betreiben. Die Vitrine bietet zur Veranschaulichung diverse Postkarten, Fotografien und Zeichnungen zu gesellschaftlichen Reitausflügen sowie Bücher für den Reitunterricht. Die Bildschirme zeigen Momentaufnahmen von Eadweard Muybridge, von Reiter*innen auf ihren Pferden im Trab, Schritt und Galopp. Allerdings scheint zweifelhaft, ob mit Momentaufnahmen einer nackt reitenden Frau wirklich die feministisch-befreiende Wirkung des Reitsports illustriert wird.

Erst im nächsten Raum wird darauf eingegangen, dass diese Momentaufnahmen den Mythos des ‚fliegenden‘ Pferdes ablösten und zu ihrer realgetreuen Abbildung beitrugen. Dieser Raum untersucht erneut Pferdethematiken, indem er sich explizit dem Thema Polo und Pferderennen widmet. Im weiteren Verlauf der Ausstellung werden Werke zu den Sportarten „Tennis“, „Boxen“ und „Rudern, Segeln, Reiten und Schlittschuhlaufen“ ausgestellt.

Außerdem fällt im Ausstellungskonzept auf, dass in jedem Raum mehr Künstler (Degas, Sintenis und viele mehr) integriert werden, sodass im Raum zum Boxsport kein einziges Werk von Liebermann mehr enthalten ist. Stattdessen wird seine Rolle als „Meilenstein“ bei der Abbildung von sportlichen Freizeitaktivitäten hervorgehoben. Im letzten, sehr textreich Raum werden Liebermanns Leben und die Entwicklung des Sports in Form von zwei parallel verlaufenden Zeitstrahlen in Zusammenhang gesetzt. Hier findet sich zudem ein Text zu der Geschichte der Sportarten Tennis, Reiten und Polo in Bremen. Passiert der Besucher diese, kann er abschließend vor einem Tennisnetz posieren, hinter dem ein großer Druck von Liebermanns „Tennisspieler am Meer“ aufgebaut ist und seine Erlebnisse auf facebook oder twitter unter #TeamLiebermann posten.

Das Ausstellungskonzept ist gut gelungen. Die Informationstexte vermitteln verständlich und gut lesbar in ausgeleuchteten und groß gedruckten Formaten ihre Inhalte. Ob man diesen zustimmt, bleibt dem Besucher überlassen. Darüber hinaus stellt sich die Frage, inwiefern die Beliebtheit des Reitsports bei der kaiserlichen Familie kontextualisiert werden sollte, wenn der erste Weltkrieg nur erwähnt wird, weil hierdurch eine Reise Liebermanns abgesagt werden musste und er in dieser Zeit weniger Sportmotive zu Papier brachte. Auch Liebermanns zurückgezogener Tod zur Zeit des Nationalsozialismus, das langjährige Ausbleiben jeglicher Ehrung aufgrund seiner jüdischen Herkunft und der Suizid seiner Frau bei der Ankündigung ihrer Deportation wird nicht angesprochen. Die durchgehende Bezeichnung des Kaiserreichs, der Weimarer Republik und des Dritten Reichs als ‚Deutschland‘ erscheint ebenfalls fragwürdig, auch wenn der Fokus der Ausstellung auf ihrem künstlerischen Inhalt, weniger auf ihrer historischen Korrektheit liegt.

Die Kombination von Textwand, Vitrine und Bildschirm ist gut durchdacht, schön gestaltet und hilft das gelesene anhand von Objekten und visuellen Erfahrungen zu vertiefen. Viele Sitzgelegenheiten bieten darüber hinaus die Chance sich ruhig die Texte der Audioguides, des mitgegebenen Begleithefts oder der beigelegten Ausstellungskataloge anzueignen – und natürlich die Kunstwerke zu betrachten. Die vielfältigen Werke Liebermanns fangen die Atmosphäre der bürgerlichen Oberschicht, ihren Kleidungs- und Lebensstil sowie ihren gesellschaftlichen Umgang miteinander gut ein. Das Stimmungsbild im Gästebuch fällt überwiegend positiv aus. Ich würde die Ausstellung jedem empfehlen, vor allem, da selbst unzufriedene Besucher in der Bremer Kunsthalle Alternativen finden können. So schreibt ein Besucher: „Reiche Leute auf Pferden begeistern mich nicht, doch [Mary Reid] Kelly packt einen sofort! Tolles Gesamtpaket, was hier geboten wird!“

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