Von Suzanne Foxley

Im April 2017 stellten sich Kandidat*innen für die Professur der Neueren und Neuesten Geschichte an der Universität Bremen mit Vorträgen vor. Sicherlich hätte jeder Vortrag vor der Berufungskommission für diese Professur eine einzelne Besprechung in bonjour verdient. Der Vortragende PD Dr. Cornelius Torp berichtete über die globale Entwicklung von Casinostädten. Er warf die These auf, deutsche Spielbäder, unter anderem Bad Homburg von der Höhe, bildeten Ende des 19. Jahrhunderts den Ursprung des noch heute bekannten Städtetypus der „Casinostadt“.

Das Besondere sei, dass Städte wie Bad Homburg sich vom puren Glücksspiel lösten und in Infrastruktur investierten. Dadurch, dass sich das Glücksspiel mit anderen Unterhaltungsformen mischte, entstand ein sehr modernes urbanes Wachstumsmodell, „Casino-politinism“. Solche deutschen Casinostädte profitierten vor allem durch die Legalisierung und Monopolisierung des Casinowesens. Zur Folge hatten sie eine Professionalisierung der Spielabläufe und Mitarbeiter, sowie das Streben nach ständigen Profiten.

Ausgelöst wurde diese Entwicklung durch das Verbot des Glücksspielbetriebs in Frankreich, dem europäischen Glücksspielland des 19. Jahrhunderts. Von diesem Impuls getrieben, eröffneten die französischen Brüder Blanc im Kurort Bad Homburg ein Luxusbad und eine Spielhalle, infolge dessen sich dieses zu einem internationalen Magneten für Spieler entwickelte. Bis zu 90 Prozent der erzielten Profite stammte von Glücksspielern aus dem Ausland – allerdings wurden 1872 die deutschen Casinos geschlossen.

Francois Blanc eröffnete daraufhin in Monaco das Casino Monte Carlo als dann einziger legaler Glücksspielort Europas. Ein Anschluss an das Eisenbahnnetzwerk und weitere Unterhaltungsangebote wie das große Opernhaus führten in der Folgezeit zu einem Aufblühen.

Die Übertragung des Konzeptes der Casinostadt vom europäischen Monte Carlo zum nordamerikanischen Las Vegas sei hingegen schwierig zu erklären. Eine direkte Verbindung bestünde nicht, jedoch sei Monte Carlo in der amerikanischen Presse wiederholt abgedruckt und als erfolgreiches Geschäftsmodell aufgeführt worden. Las Vegas habe wiederum als Vorbild und Inspiration für die heute größte Glücksspielmetropole der Welt, das asiatische Macau, gedient. Ein gravierender Unterschied in diesen beiden modernen Casinostädten liege in ihrer anti-urbanen Haltung: Alles solle innerhalb der abgeschlossenen Einheit des Casinoressorts verfügbar sein.

Der Erfolg vieler Casinostädte beruhte zunächst auf ihrem Bestehen innerhalb einer Zone des Glücksspielverbotes. Torp ergänzt in seinem Vortrag immer wieder das Zusammenspiel von unterschiedlichen Unterhaltungsformen und Faktoren. Um deren Bedeutung zu verdeutlichen, führte er das Beispiel der gescheiterten Casinostadt Atlantic City an, welche, trotz anfänglicher Erfolge, bald stagnierte und in negatives Wachstum verfiel.

Das Potenzial von Torps Forschungsvorhaben wurde in der anschließenden Diskussion mit der Berufungskommission deutlich: Wie wurden Frauen in Casinos bewertet und behandelt? Wenn Spielverhalten soziales Ansehen definiert, habe dies enorme Implikationen für die Geschlechtergeschichte. Die Bewertung des Glücksspiels zwischen den Polen der legalisierten Freizeitkultur einerseits und moralisch verwerflicher Sucht andererseits, könne in Verbindung mit den medizinischen Erkenntnissen zur pathologischen Glücksspielsucht untersucht werden. Dienten die Casinostädte als eine Art Ventil der Gesellschaft? Gab es in Deutschland eine Unterscheidung zwischen alten und neuen Casinostädten? Welche Mechanismen der sozialen Stratifizierung wirkten in Casinos? War das Casino eines der ersten Orte, an denen das Zeitempfinden verloren ging?

Torps Vortrag wies vor allem auf die Aktualität von Geschichte hin. Moderne Wirtschaftsmodelle haben Entstehungsgeschichten, die über ihre Grenzen hinaus in der ganzen Welt wirken. Doch die Frage bleibt, ob solche historischen Entwicklungen wirklich Hinweise auf einen kontinuierlichen Trend des „Casino-politinism“ sind oder der Wandel so stark ist, dass man eher von vereinzelten Ereignissen der Geschichte sprechen muss?

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